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Mossy Meadow · Experiment 1: To enter a (mossy) spring-meadow in the month of May
Von Bernd Erich Gall
Voranstellung: Das Betreten einer Frühlingswiese ist für einen feinfühligen Menschen eine Form der Vergegenwärtigung seiner Empfindungen. Darin steckte die Konfrontation des schier Belanglosen mit der Gewalt der versteckten Zeichen innerhalb des undurchdringbaren Gefüges zwischen Mensch und Natur. Es ist ratsam, konventionellen Denk- und Verhaltensweisen eine Absage zu erteilen, auch gerade dann, wenn es darum geht, mit seiner Umwelt eine tiefgreifende Beziehungen einzugehen.
Peter Korn’s Betrachtungsweise: Für Peter Korn hängt die Art des Betretens einer Frühlingswiese im Monat Mai von deren Eigenfarbe ab. Für ihn existieren blaue, gelbe und graue Frühlingswiesen. Ihre Farben sind eindeutige Signale einer feinfühligen, sensiblen Natur an ihre Entsprechung im Menschen.
Peter Korn’s Vorgehensweise: Bei blauen Wiesen heißt es, rasch und zügig in geraden Linien die Wiese betreten. Die ersten Schritte müssen überfallartigen Charakter haben, die folgenden den, massiver Entschlossenheit. Blau, die Farbe der Ferne verträgt Schnelligkeit, und gegrüßt sei der Wanderer, der Vagabund, der Fänger der fahrenden Horizonte. Weite Schritte, hartes Schuhwerk, lebendige Gangart sind von Vorteil.
Ergänzungen zu den blauen Wiesen: Auf blauen Wiesen krähen Raben Lande- und Startplätze von Segelfliegern befinden sich ausschließlich auf blauen Wiesen, und blaue Wiesen verhalten sich im undurchdringlichen Gefüge der Natur äußerst zurückhaltend.
In eine gelbe Wiese einzutreten, ist eine Kunst und verlangt viel Einfühlungsvermögen. Vorweg sei gesagt, daß nur gelbe Wiesen in der Lage sind, Laute von sich zu geben, und gerade jene Laute gilt es, als Signale wahrzunehmen. Zwischen ihnen und dem Betreter der Wiese kommt nicht selten eine Art Unterhaltung, die besser als eine feinfühlige Art des Kommunizierens anzusprechen ist, zustande. Bevor man seine nackten Füße sanft und unbestimmt auf gelbe Wiesen setzt, ist es nicht unvorteilhaft, sich meditativen Übungen (in welcher Form auch immer - z.B. Atemübungen) hinzugeben. Dadurch wird es einfacher, die für das Betreten notwendige Ruhe zu erlangen und die Basis für eine angstfreie Begegnung zu schaffen. Mit nackten Füßen spüre ich jeden Grashalm, jede Blume und alles, was eine gelbe Wiese ausmacht. Jeder Schritt erfolgt zögernd, tastend, sanft und mit viel Muße.
Es ist unmöglich beim Betreten einer gelben Wiese eine Richtung festzulegen, denn gelb ist die Farbe der Sonne, und auch sie scheint richtungslos auf die Köpfe der Wanderer - so: warm wird dem, der gelbe Wiesen betritt, so warm und heiß.
Ergänzungen zu den gelben Wiesen: Auf gelben Wiesen, krähen keine Raben; in gelben Wiesen baden Zitronenfalter. Auch hüten gelbe Wiesen eine Menge Geheimnisse. Segelflieger dürfen gelbe Wiesen nicht überfliegen, und wenn, dann nur in sicherer Höhe.
Auf grauen Wiesen hat man das Gefühl auf der Stelle zu treten. Geeignetes Schuhwerk sind: Straßenschuhe, Sportschuhe, Wanderstiefel. Graue Wiesen sind hart und unverwüstlich. Alles liegt nahe beieinander, und sie geben wie blaue Wiesen keine Laute von sich. Es gilt auf nichts zu achten. Sanft oder hart, schnell oder langsam, tief oder flach, es ist eine schiere Unmöglichkeit, einen falschen Schritt zu tun. Graue Wiesen haben leblosen Charakter, erscheinen dem Betreter in einer vermeintlich tiefen Bewußtlosigkeit. Ihre Gräser und Blumen bewegen sich selbst bei kräftigen Winden kaum oder nur soviel, daß sie nicht ganz aus dem Rahmen fallen.
Ergänzungen zu den grauen Wiesen: Auf graue Wiesen fallen die Schatten der gelben und blauen Wiesen. Schrebergärten sind mit wenigen Ausnahmen immer auf grauen Wiesen, auch Spielplätze für Kinder. Auf grauen Wiesen spielt es sich gut, und oft sind graue Wiesen in der Nähe von Tennisplätzen, denn nicht selten finden sich in ihnen statt Blumen Tennisbälle. Auf grauen Wiesen landen und starten Raben, aber lautlos, und sie krähen nicht wie auf blauen Wiesen, sie schlafen dort. Segelflieger meiden graue Wiesen wie das Wasser, und landet eine Grille auf einer grauen Wiese bleibt sie für ewig stumm.
Text zu Objekt 311: Mossy Meadow, 1998 · Koloriertes Moos, Öl, Pigmente · 53 x 37 x 6 cm
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